Im Vorfeld der am 7. und 8. Juni stattfindenden "Medienenquete" hat Medienminister Gernot Blümel eingeladen, bereits vor der Veranstaltung am medienpolitischen Diskurs teilzunehmen und auf drei Fragen einzugehen. Im Sinne eines transparenten und konstruktiven Diskurses veröffentliche ich meine Antworten auf die gestellten Fragen bereits vorab auf meinem Blog:
Fragestellung 1: Thema Öffentlich-rechtlicher Auftrag & "Public Value"
Wie sollten der öffentlich-rechtliche Auftrag und der gesellschaftliche Mehrwert, den dieser Auftrag gewährleisten soll, in einer zunehmend digitalisierten Welt abgegrenzt, definiert und weiterentwickelt werden?
Nach meiner Einschätzung werden die Fragen rund um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich nur fragmentarisch und leider meist nur in Verbindung mit Positionen und Positionsinhaberinnen und -inhabern diskutiert. Ich schlage eine strukturierte Vorgangsweise in folgenden Schritten vor:
1. Klärung der Frage, ob im österreichischen Medienmarkt ein Marktversagen, welches die Errichtung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich rechtfertigt, vorliegt oder ob es bei Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks drohen würde.
2. Wenn ein Marktversagen vorliegt oder drohen würde (Frage 1), ist der öffentliche Auftrag vom Gesetzgeber genau zu definieren. Andernfalls sind die folgenden Punkte irrelevant.
3. Der im Punkt 2 definierte Auftrag ist an ein handlungsfähiges Management weiterzugeben, das wiederum eine Strategie zur Umsetzung des Auftrags auszuarbeiten hat. Dabei sind drei Schwerpunkte besonders zu berücksichtigen: Qualität des Outputs, Digitalisierung und Effizienz in der Betriebsführung. Aus der Strategie muss sowohl ein kurzfristiger Maßnahmenplan als auch ein langfristiger Entwicklungsplan ableitbar sein.
4. Die in Punkt 3 entwickelte Strategie muss vom Management mit voller Konsequenz (und unter Umständen auch mit voller Härte) umgesetzt und gelebt werden. Dabei sind vor allem die Führungskräfte der ersten und zweiten Ebene gefragt, die die Konsequenz in der Umsetzung vorleben müssen.
Fragestellung 2: Finanzierung & Förderung
Der österreichische Medienmarkt steht vor großen Herausforderungen: Es ist ein kleiner Markt, der aufgrund der gemeinsamen Sprache eng mit dem zehnmal so großen deutschen Markt verknüpft ist. Wie soll und kann zukunftsfähige Medienfinanzierung aussehen?
In diesem Zusammenhang ist eine Unterscheidung zwischen dem gewünschten und dem machbaren Ergebnis notwendig.
Natürlich wäre ein Schulterschluss zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Medien, zwischen Qualitäts- und Boulevardmedien und zwischen nationalen und regionalen Medien mit dem gemeinsamen Ziel der Stärkung des Medienstandorts Österreich wünschenswert. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt jedoch, dass dieses wünschenswerte Vorhaben spätestens an der Frage, wer welche Märkte und Kunden betreuen darf und in weiterer Folge welches Stück vom Kuchen erhält, grandios gescheitert ist.
Machbar sind jedoch Allianzen, die für bestimmte Sachthemen professionelle Strukturen aufbauen, bei denen eine sachorientierte und unabhängige Geschäftsführung den ihr von möglichst vielen Medienunternehmen erteilten Auftrag konsequent umsetzt. Beispiele dafür sind die Media-Analyse (MA), die Österreichische Auflagenkontrolle (ÖAK), die Österreichische Webanalyse (ÖWA), der Radiovermarkter RMS oder das Fernsehmagazin „Tele“.
Auch in diesem Punkt würde eine strukturierte Vorgangsweise Sinn machen:
1. Zieldefinition: Welches Ziel soll mit einer gemeinsamen Vorgangsweise der österreichischen Medienmacherinnen und Medienmacher erreicht werden?
2. Welche infrastrukturellen Voraussetzungen (technisch, organisatorisch und politisch) müssen geschaffen werden, um diese Ziele erreichen zu können?
3. Wie kann eine operative Umsetzung der in Punkt 1 genannten Ziele sichergestellt werden, ohne dass punktuelle Einzelinteressen das gesamthafte Ziel der Stärkung des österreichischen Medienstandorts gefährden? Welche Anleihen können aus funktionierenden Partnerschaften von Medienmacherinnen und Medienmachern genommen werden?
Fragestellung 3: Digitalisierung & Demokratie
Die Digitalisierung – insbesondere der Erfolg sozialer Netzwerke und des Smartphones – verändert den gesellschaftlichen Diskurs und die mediale Öffentlichkeit rasant. Was kann zeitgemäße Medienpolitik zu sachlicher und unaufgeregter Kommunikation und Information beitragen?
Eine zeitgemäße Medienpolitik mischt sich nicht in Inhalte oder Personalfragen ein, fördert nicht im Gießkannen-Prinzip und schafft keine finanziellen Abhängigkeiten, sondern stellt Mittel und Werkzeuge zur Verfügung, die Medienmacherinnen und Medienmachern ein sinnvolles Arbeiten ermöglichen.
Das vorherrschende „Kirchturmdenken“ vieler Medienschaffender ist durch die Digitalisierung und Internationalisierung vor allem im Bereich der Forschung und Entwicklung völlig obsolet geworden:
Internationale Player können ihre Forschungs- und Entwicklungsarbeit so effizient gestalten, weil sie bei der Ausrollung von Ergebnissen immer eine – meist weltweite – Skalierungsmöglichkeit haben. Digitale Entwicklungen im „Schrebergarten“ einzelner nationaler oder gar regionaler österreichischer Player, sofern sie überhaupt stattfinden, können hier natürlich nicht mithalten. Allgemein findet in österreichischen Medienhäusern (leider ganz im Gegensatz zur österreichischen Leitbetrieben in der Industrie) vielfach keine strategische Forschung und Entwicklung statt.
Eng mit dieser Forschungs- und Entwicklungsarbeit verbunden ist eine strukturierte Marktbeobachtung. Angesichts der rasanten Geschwindigkeit, mit der neue Medienformen entstehen, ist eine ständiges Beobachten des weltweiten Medienmarktes (inklusive medienähnlicher Konstrukte wie sogenannte „Soziale Medien“) eine Voraussetzung für den Medienstandort Österreich, nicht den – in erster Linie digitalen - Anschluss zu verlieren.
Die Rolle der Medienpolitik könnte hier in einer Bündelung der Kräfte bestehen, die die Forschung und Entwicklung im Medienbereich auf professionelle Beine zu stellen (zB durch enge Kooperation mit den Universitäten und Fachhochschulen) und die Ergebnisse transparent und regelmäßig allen österreichischen Medienbetrieben zur Verfügung zu stellen. Anleihen könnten hier aus funktionierenden Modellen im Bereich der Industrie genommen werden.
Update zu Punkt 1 - Öffentlich-rechtlicher Auftrag & Public Value (23.5.2018):
Die Schweizer öffentlich-rechtliche SRG SSR hat in Folge der NoBillag-Abstimmung in einer Strategieklausur am 24.4.2018 unter dem Schlagwort "SRG 4.0" vier Stoßrichtungen definiert, die
einige interessante Parallelen zu den oben aufgeführten Punkten enthalten:
"Die SRG berichtet weiterhin unabhängig und ausgewogen. Sie schafft Raum für verschiedene Meinungen und bietet Vielfalt. Sie setzt auf Faktencheck statt auf Tempo und misst
ihren Erfolg nicht allein über die Quote. Sie bietet Inhalte in vier Sprachen, in allen Formaten und für alle Medien. Ihre Trümpfe sind der Ton und das Bild – vor dem Text. Die SRG setzt sich
noch stärker für kulturelle Vielfalt und Swissness ein. Sie investiert zusätzliche Mittel in Schweizer Produktionen: mehr Schweizer TV-Serien, mehr Synchronisationen, mehr Untertitelungen – und
auch mehr Austausch zwischen den Regionen. Und mindestens gleich viel Schweizer Musik in verschiedenen Genres.
Die SRG wirkt verbindend und stellt noch mehr Inhalte online zur Verfügung. Sie bringt die Öffentlichkeit bei nationalen Anlässen zusammen. Sie vereint das Publikum bei Veranstaltungen zu Sport, Politik und Kultur – in Zukunft auch auf einer unternehmensweiten digitalen Plattform, wo das Publikum die Inhalte aller Sprachregionen findet. Sie baut ihre Bildungsangebote aus. Und sie treibt die Digitalisierung ihres audiovisuellen Erbes und die Öffnung ihrer Archive voran. Mit anderen Worten: Das Publikum soll jederzeit und «à la carte» auf das vielfältige Gesamtangebot der SRG zugreifen können.
Die SRG steht im Dialog mit der Gesellschaft und bindet insbesondere das junge Publikum ein. Sie entwickelt auf die Jungen zugeschnittene Formate und wählt die dafür geeigneten Verbreitungswege. Sie produziert Angebote zusammen mit den Jungen für die Jungen und macht dafür ihre Infrastruktur zugänglich.
Die SRG soll agiler und fitter werden. Denn sie muss 100 Millionen Franken sparen. Deshalb überprüft sie ihre Prozesse und Produktionsmethoden. Bei Bedarf lockert sie ihre Standards und hinterfragt die Rollen- und Aufgabenteilung zwischen den Unternehmenseinheiten und der Generaldirektion. Gemeinsame Projekte unterzieht sie vorgängig einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, um die Auswirkungen auf das Gesamtunternehmen und auf jede Unternehmenseinheit zu messen. Zudem senkt sie so weit wie möglich ihre Kosten für Verwaltung und Immobilien."
(Quelle: https://www.srgd.ch/de/aktuelles/news/2018/05/18/management-meeting-srg-im-zeichen-des-aufbruchs-und-des-miteinanders/, abgerufen am 23.5.2018)