Die SPÖ steht vor einem strategischen Dilemma, das schnell gelöst werden muss. Die DNA der Sozialdemokratie steht auf dem Prüfstand.
Selbst aufmerksame Politbeobachter und Experten rieben sich diese Woche mehrmals verwundert die Augen. Zuerst drosch der neue SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher eine OTS mit der Überschrift „Die FPÖ holt 150.000 Zuwanderer ins Land“ ins Netz (nachzulesen hier). Dann legte der burgenländische Landesrat Hans Peter Doskozil nach und kritisierte die Regierungspartei FPÖ für ihre aus seiner Sicht laxe Abschiebungspolitik (mehr dazu hier). Ein bemitleidenswerter SPÖ-Klubobmann Christian Kern wollte dann bei Armin Wolf in der ZiB2 das Unerklärliche erklären und machte dabei keine allzu gute Figur (bis 25.1.2018 nachzusehen hier).
Hinter diesen Turbulenzen steckt ein veritables strategisches Dilemma der SPÖ. Wie tief dieses Dilemma in die gesamte Partei hineinreicht zeigt auch dieser Thread, in den ich unbeabsichtigterweise hineingezogen wurde. Ob noch irgendjemand wisse, wofür die SPÖ eigentlich stehe, war da zu lesen. Und genau das ist der springende Punkt.
Derzeit schlingert die SPÖ zwischen einer humanistischen, solidarischen Grundhaltung nach dem Vorbild des linken Flügels der SPÖ in Wien und der harten, FPÖ-nahen Linie eines Hans Peter Doskozil durch die politische Landschaft. In Wien stellen sich diese Grundhaltungen im Rahmen des kommenden Landesparteitages, in dem die Nachfolge für Bürgermeister Michael Häupl entschieden wird, sogar einer parteiinternen Wahl.
Aus strategischer Sicht eine Katastrophe: Eine Partei, die nicht in der Lage ist, ihre USP (Unique Selling Proposition) klar zu definieren und dann verständlich zu kommunizieren, läuft Gefahr, marginalisiert zu werden.
Das Dilemma ist aber nicht leicht zu lösen, weil zwei unvereinbare Phänomene aufeinandertreffen: Einerseits jener Wert, auf dem die Ideologie des Sozialismus bzw. der Sozialdemokratie aufbaut, nämlich die Solidarität, und andererseits die aktuelle Stimmung in der Bevölkerung, sich in der Migrationsfrage tendenziell vom Angstgedanken leiten zu lassen und im Migrations-Thema eine im Ergebnis unsolidarische Haltung einzunehmen.
Nachdem Strategiearbeit Führungsarbeit ist wäre jetzt die Parteiführung am Zug. Je länger Parteiobmann Kern diesem Treiben zusieht desto größer wird der Schaden für die SPÖ. Selbst auf die Gefahr hin, einige in der eigenen Partei vor den Kopf zu stoßen: Eine Richtungsentscheidung muss getroffen und dann konsequent umgesetzt werden. Das gefährliche Element dabei ist, dass einer der beiden Wege so weit vom Kern des sozialdemokratischen Grundwerts der Solidarität entfernt ist, dass er die Partei in der DNA verändern würde. Und Veränderungen in der DNA führen meist zu allererst zu zerstörerischen Entwicklungen.